Weihnachtskalender-Türchen Nummer 1
Eines kann ich mit Sicherheit sagen: heute bin ich klüger als gestern, aber immer noch dümmer als morgen.
Anläßlich dessen, was uns in 24 Tagen wieder heimsucht und in Vorbereitung dessen, quasi begleitend zum sogenannten Adventskalender, gibt es 24 (Ultra-)Kurzgeschichten, die mehr oder eher weniger mit Weihnachten zu tun haben, größte Gemeinsamkeit wird wohl die Zahl 24 selbst sein. Aber egal, hat man erstmal einen Grund, ist die Anlassfindung trivial.
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Entstanden ist die folgende Geschichte letzte Nacht während meiner REM-Schlafphasen und sie wirkt wie eine Staffel einiger x-beliebigen Fernseh-Serie, jedoch wurde unterwegs der Regisseur sowie die meisten Darsteller ausgetauscht.
Die Schwierigkeit zu erkennen, ob man ein Coming Out benötigt kann auch daran liegen, dass der rationale Gehirnteil meist eigene Pläne hat
Alles begann damit, dass ich endlich mein Traummädchen gefunden habe: blond, zierlich, die schönsten Augen der Welt... und dieser Duft! Ich spürte Liebe und Zuneigung pur, obwohl wir nur nackt gekuschelt hatten bisher (ohne Sex!)
Später fragte mich Jan, ein Freund, warum ich den mit dem Mann da (er meinte SIE) rummachen würde und auch andere hätten sich schon gewundert. Eine offizielle Erklärung musste her.
Kurz darauf sah ich SIE wieder und erkannte, dass es eben keine SIE, sondern ein ER war. Das war komisch. Ich fragte mich also, ob dieses intensive Gefühl von Liebe und Zuneigung wohl das war, was man im allgemeinen mit Homosexualität in Verbindung brachte und überlegte, ob ich nun tatsächlich schwul wäre, wenn diese meine Gefühle einem Mann gegolten haben - gleichzeitig war ich mir sicher, dass es eine Frau bzw. ein Mädchen gewesen sein muss, mit dem ich eine REM-Schlafphase vorher fast Beischlaf hatte.
In der Zwischenzeit berief Jan eine Pressekonferenz in einem Reisebus der Marke Robur ein, die gut besucht war, auf der allerdings alle auf einen Schwarz-Weiß-Fernseher guckten, welchen sich der Busfahrer neben dem Fahrkartenautomaten installiert hatte.
Ich konnte an dieser Pressekonferenz leider nicht teilnehmen, weil ich gerade auf den mit kaputten Betonschrittplatten gepflasterten Fußweg in irgend einem Feriendorf unterwegs war, um die wahre Identität meiner Bekanntschaft herauszufinden - in der Hauptsache, weil ich mir einfach wünschte, dass dieser Duft, diese Augen und dieser Körper einer Frau gehören MUSSTEN, ansonsten würde mein Weltbild zusammenbrechen. Und das Wichtigste, ich hatte damals gar keine Schwanz bemerkt, also war da sowieso irgend etwas faul. Faul muss etwas gewesen sein, denn ich lief, egal welche Richtung ich auch wählte, ständig in die falsche. Sand löste die kaputten Schrittplatten aus Beton ab, irgendwann kam immer ein Zaun, hinter dem das Gras wucherte und eine verfallene Sporthalle mit halbrundem Dach die SIcht versperrte.
[Jetzt muss man sich vorstellen, das die ganze Geschichte auf mehrere Traumphasen verteilt war und ich zwischendurch manchmal leicht wach war oder zumindest der rational denkende Teil meines Geheirns sich kurz einschaltete und versuchte, den Traum etwas plausibler zu machen. Der Traum leidet natürlich darunter, und mit dem Einzug der Rationalität verschwinden die vertrauten, aber teilweise auch unverständlichen bis befremdenden Einzelheiten, und eaus einem wunderschönen Bild wird nur noch eine Liste mit Stichpunkten auf Recyclingpapier. Deshalb haben solche Träume niemals ein richtiges Ende.]
Kurz vor dem Aufwachen fand ich heraus, dass ich mit Jan zusammen auf einer Ferieninsel im Urlaub war, und ER halt der Bruder meiner Allerliebsten war, und das alles ohne weitere Erklärungen.
Da hat mein Großhirn aber gerade so noch ein Alibi gezimmert, bevor der Wecker diese Staffel meiner Phobienträume-Serie entgültig beendete.