Kairo- Eindrücke einer Stadt und seiner Menschen
Auf meiner Reise nach Kairo bin ich wieder vielen interessanten Menschen begegnet.
Fotos vermitteln leider für viele andere Menschen nur einen Teileindruck, eine Momentaufnahme die der Fotograf für sich als wichtig erachtete, so wichtig um es in einem Foto fest zu halten.
Es erzählt nicht die Geschichte die hinter diesem Menschen, dem Gebäude oder dieser Landschaft abläuft/ steht. Das Foto erzählt nicht die Empfindungen die der Fotograf in diesem Moment hatte.
Kairo, 20 Millionen Einwohner auf einem winzig kleinem Fleck unserer bewohnbaren Erdmasse und dennoch scheint alles irgendwie zu funktionieren. Wow!


Der Verkehr erscheint dem westlichem Menschen wie eine Hommage an das Chaos, Eselskarren, Kamele, Motorräder, Autos, Busse, LKW´s und Trucks und viele andere Verkehrsmittel, die aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit bei uns in Deutschland, allein schon wegen ihrer äußerlichen Erscheinung, auch nicht wenn man beide Augen zukneift, durch den TÜV kommen würden.
Vielleicht liegt darin auch der Reiz diesem Chaos beiwohnen zu wollen, weil man immer wieder neue Verkehrsmittel entdeckt, in denen man auf jeden Fall eines findet: Menschen.
Ich habe bei 19 Personen in einem Kleintransporter aufgehört zu zählen, vom Gepäck ganz zu schweigen oder besser noch von der Art des Auftürmens ganzer Haushalte zu schweigen.
Aufgrund der Straßenbeschaffenheit, wo sich ein Schlagloch an das andere reiht und die Straßen nur so von künstlich angelegten "Beruhigungshuggeln" schreien, stellte sich mir immer wieder eine Frage: Wie halten die Achsen das aus bzw. wie oft werden diese gewechselt?


So scheint es keine Regeln zu geben im Straßenverkehr (Ampeln und Polizisten scheinen ein Vorschlag zu sein, den man gerne ablehnt), außer einer:
Wer hat die stärkeren Nerven und dadurch eine Chance durch das scheinbar heillose Chaos zu gelangen?
Für Menschen wie mich, die ab und zu anders ticken ist es eine Bereicherung und Genugtuung zu sehen, das es keine Regeln gibt.

Die Pyramiden erheben sich auf dem Felsplateau und strahlen eine Ruhe und Erhabenheit aus, die man sonst in Kairo suchen muss.
So wären in Deutschland sämtlich Wege bereits betoniert, der Rest abgesperrt und dem Betrachter wäre so der Blick verborgen geblieben auf all die vielen spielenden Kinder, die fliegenden Händler und die vielen einheimischen Familien, die wie auf einem Fest zu feiern scheinen.
So wird ein Familienausflug schnell zum Erlebnis, selbst für die uns so abendländisch erscheinende verschleierten Frauen, die sich vor lachen kaum halten können als sie den Versuch starten auf ein Kamel zu steigen.
Manch ein Touri scheint da beinahe mehr Übung zu haben als ein Araber, wobei man ja denken sollte, es sei dem Araber eigentlich in die Wiege gelegt worden.
So fahren ganze Schulklassen zum Ausflug an die Pyramiden, wo erstmal die ersten Stufen der Pyramide erklommen werden und kräftig Fußball gespielt wird.

Jeder Ball ist heiß umkämpft und das natürlich iauch mit entsprechender Lautstärke.

Jeder Ball ist heiß umkämpft und das natürlich iauch mit entsprechender Lautstärke.
In Deutschland wären unsere Behörden tot umgefallen aufgrund der fehlenden Absperrgitter und unsere Rentner hätten über die tobenden und schreienden Kinder einen Schwall des Unmutes abgelassen.
Wobei man sich als belesener und erfahrender Ägypten-Pyramiden-Fan, ab und an auch mal die Frage stellt, wozu bauen die Ägypter eine Mauer um ein 12 km² großes Areal rund um die Pyramiden, weit in die Wüste hinein, wo sowieso kein Touri hinkommt?
Herzlich Willkommen auf der Seite der Zweifler und der Menschen die gern auch mal andere Bücher als die der läufigen Schulmeinung lesen. Erfahrungsaustausch an dieser Stelle erwünscht!
So wird man als Touri bald selber zur Sehenswürdigkeit für die einheimischen Kinder, ein Foto mit Ausländer ist heiß begehrt, den Namen dazu zu erfahren scheint das Größte zu sein und schnell findet man sich zwischen all den Kindern wieder und spielt Fußball. Seinen Namen hört man dann rund um die Pyramiden immer wieder hallen und das mit einem heftigen Winken der Kinder verbunden.Natürlich darf man an dieser Stelle die Polizei nicht vergessen, die schnell zur Stelle ist um uns davor zu retten.
Eine Frage der Sicherheit stellt sich allerdings:
Wenn in Kairo so ca. alle 100m ein Wachposten steht,natürlich an relevanten Stellen, über wie viele Polizisten verfügt dann Kairo?
Man scheint sicher.. doch manchmal trügt der Schein.
So kann man beruhigt die Hälfte der Mannschaft von ganz Kairo abziehen, die sich pausenlos mit ihrem Handy beschäftigen statt sich auf unsere Sicherheit zu konzentrieren. Manchmal eine echt lustig anmutende Situation.
Wobei ich mehr schmunzeln musste, wenn ich die bis auf die Augen verschleierten Damen gesehen habe, wo ich ab und an den Eindruck hatte, die Zeit wäre stehen geblieben, die mit einem hochmodernen Handy ihre Familien auf einem Fotos festhalten.
Und da wurde mir klar, denen geht es gut.


Sollte mal jemand in Kairo in die Stadt der Müllmänner fahren, so ist es angebracht seine persönlichen Vorstellungen von Dreck, Müll und Reinheit über Bord zu werfen.
Nun muss man wissen, das Kairo ein riesiges Müllproblem hat, welches auch vor den Pyramiden leider nicht halt macht.Viele deutsche Firmen haben sich bemüht Lösungen zu schaffen und sind der Sache nicht Herr geworden.
Auf Fragen unsererseits an unsere so liebe ägyptische Reiseleiterin, ob denn den Einheimischen nichts daran liegt den Müll, für unserer Verhältnisse ordnungsgemäß, zu entsorgen, folgten entschuldigende Worte, eine Reihe von Erklärungen und dennoch erschloss sich uns aus all den genannten Erläuterungen keine wirkliche Beantwortung unserer Frage.


Also haben es sich irgendwann Menschen eines Stadtteiles zur Aufgabe gemacht, einen geringen Anteil des Müll zu sammeln, zu sortieren um diesen dann für ein bisschen Geld zu verkaufen, um davon an der Armutsgrenze zu leben.
Dieser unvorstellbare Dreck und Gestank ist für uns fast zu viel und wenn man sieht, wie die Kinder darin spielen, wie die Ziegen darin ihr Essen suchen und wie die Lebensmittel in den Läden offen liegen, so möchte man nur noch flüchten und sich der Welt mitteilen: Man Leute, es geht uns eigentlich richtig gut.
Eine sehr heilbare Erfahrung um das vermeintlich eigene Elend doch wieder ein Stück ins rechte Licht zu rücken.
So leben Menschen auf einem Friedhof, kümmern sich um die Gräber und haben aufgrund der Beschaffenheit der Gräber, diese sind wie richtige Häuser gebaut, ein Dach über dem Kopf.
Das dort unten in der Erde ein Leichnam liegt, der gerade vermodert , ist angesichts einer
Bleibe/ einer eigenen Wohnung/ eines eigenem Hauses vollkommen egal, Normalität.
So leben diese Menschen sauberer als ein Großteil ihrer eigenen Leute, denn die Gräber werden sauber gehalten, es ist die Verbindung zu den Toten.
Da stellt sich wieder eine Frage: Was ist heute schon normal aus unserer westlichen Sicht gesehen?
So soll dies auch keine Wertung sein. Seien wir einfach nur dankbar, das wir eine saubere, warme Wohnung mit Strom und Wasser haben und in der Lage sind uns ein schönes verpacktes, chemisch versetztes Essen leisten zu können.
Ich weiß, dass es für viele von uns immer noch nicht ausreichend ist was sie haben.
Das Streben nach mehr liegt in der Natur des Menschen, es ist der Antrieb voran zu kommen, sich weiter zu entwickeln und in der Hierachie höher aufzusteigen.
Es ist die Triebfeder jeder (Weiter)Entwicklung. Halten wir dennoch ab und an inne und sind dankbar für das was wir haben.
Ein letzter Punkt über die mir begegneten Menschen:
Ich nenne sie mal Anina. Eine studierte, sehr liebe und kluge Frau, immer bemüht uns das andere Ägypten zu zeigen, mit all seinen Traditionen, Eigenheiten und verschlungenen Pfaden abseits des Touristenweges.
Eine Frau die zwischen zwei Welten lebt. Die mich schwer beeindruckt hat, weil sie die Situation einer alleinstehenden Mutter mit zwei Kindern, freischaffend als Reiseleiterin, selbstständig entscheidend im Alltag und dennoch so an die Tradition gebunden ist, hervorragend meistert.
Die mir all meine manchmal auch ziemlich privaten Fragen offen beantwortet hat.
Mit der ich unsere (Frauen)-Lebenssituationen vergleichen konnte und sich dadurch viele innige Momente und viele schöne, interessante Gespräche ergeben haben.
Und ich feststellen konnte, Mensch Suse du bist nicht allein mit all deinen tief in dir sitzenden Zweifeln & Ängsten, mit all deinen immer wieder kehrenden Gedanken.
Auch in Ägypten hat Frau genau die selben Probleme wie du in Deutschland, nur mit dem Unterschied, das ich "scheinbar" die Chance habe, so zu leben wie ich es möchte.
Klar es hapert manchmal an der Umsetzung, aber wenn ich meine, ich möchte eine Patchwork-Family "heiraten", dann kann ich diesen Schritt gehen.
Dies bleibt ihr verwehrt oder ist nur mit einer Menge von starken Nerven, viel Mut,viel Durchhaltevermögen und vor allem Durchsetzungskraft möglich.
Ja, ihr Männer seit noch was in Ägypten, die Frau kann sich zwar ganz einfach scheiden lassen, welch ein Fortschritt, doch anschließend erlöscht das Recht auf in Leben mit einem neuem Mann.
Spießige Gesellschaft, blöde Tradition, nein nicht Tradition, sondern eher ein über jahrhunderte, alter , eingeschliffener Kodex innerhalb der islamischen Welt & Familie.
Wo Frau Mann nur heimlich treffen kann... wie schön einfach geht das bei uns.
Internet aufrufen, ein entsprechendes Forum auswählen und schwups erscheint dann manchmal der (vermeintliche) Märchenprinz. Schön das ich Deutschland lebe, traurig für Anina, denn ich würde ihr das private Glück von Herzen gönnen.
Zu guter letzt möchte ich ein Wort an Gamal richten, einem Heiler, Hellseher, Reki-Meister und lieben Menschen mit schwarzen, lieben, unendlich tief erscheinenden Augen: "Danke!"
Ich bin auf dem Weg, die Tür ist geöffnet, ich versuche meinen Weg zu gehen und gebe dabei mein Bestes.
Ein Wunder, was du alles gesehen hast in mir, dennoch geschehen keine Wunder von heute auf Morgen. Eine innere Heilung bedeutet mir Zeit zu geben, an mir zu arbeiten, zu verzeihen, weiter zu denken, zu träumen, Frau zu sein und wieder zu werden.
Doch trotz aller Tradition und Verhaltenskodexen wird die Frau in Ägypten als ein hohes Gut angesehen, weil sie für die Liebe innerhalb der Familie & Gesellschaft zuständig ist (sein sollte). Die, die die Fäden zieht und alles zusammenhält, die mit List und Humor den Mann um den Finger wickelt, statt mit körperlicher Präsenz, Ausstrahlung und vermeintlicher männlicher Intelligenz Probleme löst. Sie ist diejenige, die die Familie zusammen hält.
Also begebe ich mich auf diesen Pfad, lerne erstmal wieder mich selbst zu lieben, Frau & Mutter zu sein für meine Familie.Jeden Tag ein wenig mehr, jeden Tag mit ein bisschen mehr Sanftheit in der Stimme ( :-) ).
Was war das jetzt eigentlich? Ein Reisebericht? Eine Hommage an Ägypten, an Kairo? Eine Verarbeitung aller Eindrücke?
Auch hier wieder- viele Gedanken die reifen müssen, viele Eindrücke die verarbeitet werden wollen.
Ein Jeder hat sein eigene Wahrheit.
So sind wir die Summe unserer Erfahrungen.
Ich habe eine Menge davon aus Kairo mitgenommen.
Danke Mum & Dad.