Wie ich mal Abwechslung an meinem Arbeitsplatz hatte
Eigentlich passiert nie was Aufregendes, wenn ich so Tag für Tag in dem kleinen Büro der kleinen Firma am Rande der Stadt so vor mich hin arbeite. Es ist sogar so unaufregend, dass schräge Vögel aus Drückerkolonnen schon mal eine Abwechslung sind - und mit einem Blogeintrag gewürdigt werden.
So wie der Typ mit hochgegelten Haaren und schicken blonden Strähnchen, in einem etwas zu lässig wirkendem, schwarzem Sakko, der forsch zur Tür reinschritt, einen fetten Aktenordner mit irgendwelchen unordentlich abgehefteten Vordrucken auf meinen Schreibtisch knallte und eine Spur zu einnehmend verkündete, sie würde diesen Straßenzug jetzt endlich mit DSL versorgen und dies meine wahrscheinlich allerletzte Chance zur Teilnahme am weltweiten Datenverkehr sein würde. Wie er dabei schaute, hatte ich das Gefühl, gerade in eine seiner vorgefertigten Schubladen sortiert zu werden: Opfer, leichtes Opfer, Dummkopf oder Wirrkopf.
Meiner für Bürotätigkeiten höchst unpassenden Kleidung nach wurde ich wahrscheinlich gerade in die Kategorie Wirrkopf verfrachtet, als er bedeutungsschwanger den Deckel seines Ordners öffnete und einen Stift mit einer nicht uneleganten Geste aus der Innentasche seines Sakko hervorzog.
Jetzt müsste der Zeitpunkt kommen, an dem ich, in meiner panischen Angst, irgend etwas Günstiges zu verpassen, ihm dem Stift entreisse und gleich einige Blankoformulare unterschreibe.
Ich gebe zu, in diesem Augenblick bestimmt ziemlich dämlich auf seinen vollen Ordner gestarrt zu haben, zumal eben noch die Reste der Ergebnisse einer furchtbar komplizierten Kopfrechenaufgabe unbeabsichtigt der Vergessenheit anheim fielen, um Platz im Arbeitsspeicher für den Begehr meines Gastes zu schaffen.
Das war natürlich ärgerlich für mich, musste ich das alles doch nochmal von Anfang an durchdenken, da ich dummerweise meinen Taschenrechner unter dem Wust verstreuter Papiere auf meinem Schreibtisch nicht finden konnte. Die Chance, eine schlagfertige Antwort geben, schwand mit jeder Sekunde, die ich mit unintelligentem Starren verbrachte.
Zwischenzeitlich startete er einen perfekt choreographierten Überzeugungstanz seiner Zunge und formte wohlfeile Worte in perfekt durchdesignten Sätzen zu einem glasklaren Lösungsweg für mein Problem der Unterversorgung. Man muss sich das so wie im Film „Das 5. Element“ vorstellen, als Chris Tucker als Showmaster Ruby Rhod auf dem Raumschiff Korben Dallas (Bruce Willis) zum Gewinn des Preisausschreibens gratuliert, und ich auch wirklich in Willis-Manier irgendwas unpassendes Kurzes antworte.
Irgendwie merkte er dann, dass seine Beschwörungsformeln nicht in erwarteter Weise fruchteten, kann aber auch sein, dass er fertig war, und erwartete nun eine Reaktion meinerseits. Da ich nur mit halben Ohr hingehört hatte, konnte ich zur Sache nicht wirklich was beitragen, mehr noch, ich hätte als kleiner, unterbezahlter* und unzufriedener* Angestellter gar nichts entscheiden dürfen. So klaubte ich aus meinen hintersten Windungen einige noch vorhandene nette Worte zusammen, welche ich zu unpolierten Wortgruppen formte und auf weit niedrigerem Niveau der Dichtkunst darbot...
„Es tut mir wirklich leid, Ihnen nicht weiterhelfen zu können. Gehen sie [Pause] davon aus, dass wir in dieser Angelegenheit überaus gut versorgt sind. Vielen Dank und viel Erfolg noch...“
[Note to myself: Schreibtisch steht zu nah am Eingang – mal demnächst anderen Standort suchen]
*) das stimmt natürlich so nicht, passt aber gut in den Textfluss
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