01
Sep
2006
AlexZ
Abgelegt unter:

Wie ich mal missbraucht wurde

Harmlose Sommerepisode ohne Happy End und Pointe [und morgen an dieser Stelle wieder: Katzen-Content]
Sommersonnenuntergangsstimmung Fragt mich jetzt nicht, wie lange das schon her ist, ich weiß es nicht mehr genau. Jedenfalls war ich damals jung und eine verdammt coole Sau, was „Weiber aufreißen“ anbelangte – zumindest war das in jener Zeit mein Selbstverständnis. Mit anderen Worten: ich war mitten in der Pubertät und hatte nur eins im Kopf. Wenn man wie in meinem Falle an der Ostsee in einer Urlausregion wohnte, hatte man neben all den Nachteilen [verstopfte Straßen, Strände, Parkplätze und Supermärkte] im Sommer auch den Vorteil, das man die Schnecken [Kirschen, Schicksen, Bienen, Bräute,...] nur zu pflücken brauchte. Es gab mehr als genug, fast alle wollten das ultimative Urlaubsabenteuer und wir Dorfcasanovas waren wählerisch. Im Zwei-Wochen-Rythmus wechselte die Belegung der Ferienunterkünfte und wir unsere „Bekanntschaften“. Es war eine geile Zeit. Treffpunkt zum Aufreißen war in der Woche die Kneipe auf'm Zeltplatz, das Kino oder der Strand. Aber am Samstag, da machte der „Graue Wolf“ (Spitzname jenes Chefs) vom „Waldhaus“, einer typischen Kneipe in jener Zeit, seinen Tanzsaal für die vergnügungssüchtige Jugend auf. Hier wurde gebaggert, gesoffen und geprügelt – also das ganz normale Samstag-Abend-Programm. An einem jener Abende, Mädels in modischstem Outfit tanzten zu aktuellem Discobeat, dazwischen ein paar Kerle [wahrscheinlich schwul, auf jeden Fall aber völlig uncool] – der größere Teil drängte sich aber um die Tanzfläche oder saß an Tischen, mit besaufen, glotzen oder unterhalten oder allem gleichzeitig beschäftigt - also an einem jener Abende, wie sie dutzendweise in diesem heißen Sommer vorkamen, waren einige Jungs und ich wieder auf Suche nach einer neuen Bekanntschaft. Der DJ gröhlte gerade in eine Song rein: „Jungs, nicht nur mit den Beinen unterm Tisch wackeln, ab geeeeehts auf die Tanzfläääächäää!“, da erblickten wie sie, ein Tisch voll niedlicher Mädels. Sie waren anscheinend allein und sie warfen Blicke [gierige Blicke meinten wir] in den Saal. Eine Aufforderung für uns, keine Frage. Geschmeidig landeten wir am Tisch an, irgendwelche Sprüche ablassend. Das Eis war schnell gebrochen, es wurde lustig und es wurde spät. Die Zeit nahte, wo der letzte Titel gespielt wurde und der Graue Wolf schon am Saallichtschalter stand, auf die Uhr schauend. „Bringt Ihr uns noch nach Hause?“, kam da die Frage. Natürlich, selbstverständlich, kein Problem. „Wo wohnt ihr denn?“ Natürlich im Nachbarort, 'ne Dreiviertelstunde Fußmarsch durch den Wald, das war etwas blöd. In diesem Wald gab es nicht nur Bäume, sondern auch relativ aufdringliches Schwarzwild. Im Dunkeln geht man da ungern lang. Naja, es schien ja noch vielversprechend zu werden, und tatsächlich wanderten wir, jeweils in Pärchen, Richtung Nachbarort. Der Mond glitzerte durch die Zweige und beleuchtete spärlich den Weg. Fast romantisch. Fernes Grunzen verlasste uns „Männer“ die Brust etwas rauszustecken und Stärke zu simulieren, der Alkohol half ein wenig dabei. Es war trotz allem ein kurzweiliger Weg, und in gefühlten fünf Minuten waren wir schon durch. Als die ersten Häuser wieder auftauchten, sagte „Meine“ auf einmal:“Du wunderst dich gar nicht, das ich so eine große Jeansjacke anhabe? Die gehört nämlich meinem Freund. Der wartet bestimmt schon. Danke dass ihr uns gebracht habt. Tschööö, ab hier können wir alleine weiter.“ Wie, was, Freund? Und? Ey, ich hab mein Leben eben gerade riskiert für dich Puppe. Du spinnst wohl. „Aha, hmm, ok... na dann“ sagte ich und stand plötzlich ziemlich überflüssig am falschen Ende von Wald da. Gut, nicht allein, die beiden anderen standen mindestens genauso dämlich da wie ich. Kurze Verabschiedung, kein Küsschen. Scheiße. Missbraucht für eine sichere Passage durch den Wald voller Wildschweine. Wir gafften den Mädels noch 'ne Weile blöd hinterher. Das hatte 'nen schönen Kratzer an der Coolness-Fassade hinterlassen. Trotzdem, der Rückweg war gar nicht so schlimm, der morgen dämmerte bereits und Nebeschwaden lagen über den nahen Wiesen, es roch nach Sommermorgen. Wir hauten uns beim nach Hause gehen ordentlich die Taschen voll, was wir für Kerle wären, um ein bisschen Selbstachtung wieder herzustellen.Ein neuer Tag begann und neue Abenteuer warteten – also was solls! Aber trotzdem: das Erlebnis war längst keine Wiedergutmachung für all diejenigen Mädels, die ich nach exakt zwei Wochen nicht mehr kannte, als ich mit der nächsten Urlaubsbekanntschaft im Arm an ihnen vorbeischlenderte. Tja Leute, kleine Pointe, kein Happy End. Eben eine harmlose Sommerepisode.