Unheimliche Begegnung
Der Winkelsen hat Probleme mit Hunden. Genauer gesagt mit einem Hund, und um es ganz genau zu sagen: beim Joggen. Ich denke mal, es gibt mehr Jogger, die ähnliches berichten können als solche, die mit Bello und Co. noch keinen Kontakt beim Laufen hatten. Ich gehöre auch zur ersten Gruppe und kann da eine ähnliche Story zum besten geben (schon etwas älter):
Auf dieser Welt leben bedeutet zwangsläufig auch Kontakt mit der Umwelt zu haben. Als atypischer Autist fällt mir das manchmal gar nicht so leicht, extern zu interagieren. Zum Beispiel beim joggen.
Joggen macht Spaß. Man sieht was von der Landschaft... spürt das Wetter... achtet auf "Tretminen"... Für mich dann auch schon völlig ausreichend. Ein MP3-Player auf Anschlag bietet mir die Privatsphere beim Laufen, die ich brauche. Ich muss mich nicht mit schreienden Kindern, hupenden Autos und quietschenden Reifen auseinandersetzen, nur mit dem Takt der eigenen Beine: links - rechts - links - rechts ...
Bei freilaufenden, den eigenen Weg kreuzenden Hunden ist die Sache schon etwas diffiziler. Solange sie nur ihr Maul aufreißen und kläffen und solange mein Strikt-für-Andere-verboten-Raum unverletzt bleibt, habe ich kein Problem mit diesen Viechern.
Leider ist das nicht immer so. Gestern war wieder so ein Tag. Drei junge 'ich-weiß-nicht-was -ich-mit-meiner-Zeit-anfangen-soll' Individuen, jeder mit Pennergrundausstattung, also Kläfftöle, Blechbrötchen und ordentlicher Fahne, beeinträchtigten meinen freien Laufkorridor erheblich. Dazu kam noch, das einer der Typen seinen Zeckentransporter nicht so im Griff hatte, dieser schon mit aufgerissenem Maul in meine Richtung startete, und ich sehen konnte, das eben jener gerade den Geschmack meiner Extremitäten sich versuchte vorzustellen. Er wedelte nicht mal mit dem Schwanz sondern spannte schon Rücken- und Hinterbeinmuskeln, während ihn ein Sabberfaden weiteren Bodenkontakt bescherte und sich bei seinen langsamen Vorwärtsbewegungen in meine Richtung in die Länge zog. Das sind so die Situationen, wo man sich entscheiden muss... nur für was?
Ich setzte meinen grimmigsten Blick auf (was sollte ich sonst machen - weglaufen?) und versuchte, den Köter zu hypnotisieren. Naja, ich habe auch gehört, das man Rüden nicht in die Augen schauen soll, will man sich nicht auf einen Kampf um die Alpha-Position einlassen. Wie das bei den Hündinnen ausschaut, keine Ahnung.
Nach Sekunden des Starrens meinte ich Erfolg zu haben, denn das Kraftpaket in Fell verpackt interessierte sich dann plötzlich doch nicht mehr für mein Bein. Ich fühlte mich für ein paar Zehntelsekunden doch recht stark, genau bis zu dem Zeitpunkt, als mein Denken wieder einsetzte. Es konnte nämlich auch sein, das der dazugehöriger Intelligenzallergiker irgendwas zu seinem Köter schrie, das der mich doch nicht annagen wollte. Diese Erklärung erschien mir wahrscheinlicher (auch als ich später mal versuchte, mich selbst via Spiegel böse anzugucken - was total misslang). Erfahren werde ich nie, wie es war, denn mein akkustischer Kontakt zur AUßenwelt war ja gestört, solange mir Beats in die Ohren dröhnten.
Die ganze Sache hat mich, obwohl ja nicht s passiert ist, aus dem Gleichgewicht gebracht, besonders der Puls schwirrte irgendwie im roten Bereich rum.
Kurz danach beim gleichförmigen Schritt-Schritt-Schritt-Schritt malte ich mir (auch um aus dem roten Bereich rauszukommen) in Gedanken aus, wie ich die Töle, am Halsband ergreifend und im hohen Bogen ausholend, dem Typen voll in die Fresse klatschte, der Hund sich das Genick dabei bricht und der Typ seinen Unterkiefer.
Aber das nur in Gedanken.
5 Sekunden später dachte ich schon wieder was ganz anderes.
Ich bin ein lieber Mensch.