23
Apr
2008
AlexZ
Abgelegt unter:

9 Kilometer, untrainiert

Eigentlich bin ich ja mehrmals die Woche joggend unterwegs. Eigentlich. Habs nur ein bisschen schleifen lassen - die letzten drei Monate - wegen Krankheit, schlechten Wetters und anderer Ausreden.

Das schlechte Gewissen, zusammen mit den zur Zeit in den Medien gehypten "Joggen ist gut fürs Gehirn" - Gequatsche, lies mich doch etwas einfältig, großkotzig und leichtsinnig werden. Heute wollte ich die Doppelrunde packen, heute mach ich zum Saisonauftakt gleich mal die knapp zehn Kilometer!

Joggingdress übergeworfen - die alten Laufschuhe geschnürt - Ohrstöpsel ins Ohr - anderes Ende in den MP3-Player - Lautstärke auf 95% - Startknopf - und ab...

Kilometer #1

Locker loslaufen. Fühlt sich sehr easy an... von wegen joggen ist Folter und so... wenn das so leicht weiter geht, mach ich gleich einen Marathon draus - haha. [dass die erste Strecke bergab geht, realisiere ich vor lauter Energie gar nicht - ich wohne auf einem Berg - das sollte ich vielleicht nicht vergessen in der ganzen Lauf-Euphorie]

Kilometer #2

Ich lasse die letzten Bauten der Zivilisation hinter mir, man sieht es nicht nur, man riecht es auch: Abgasgeruch ändert sich zu Blumenduft zu Duft gedüngter Felder. Mein Puls ist normal (hoch) und ich versuche mich an besonders federnden und coolem Laufschritten [falls jemand zuschaut sollte er denken, ich mache das täglich]

Kilometer #3

Nähere mich den ersten und unvermeidlichen frei laufenden Hunden. Prüfe meine Kraftreserven auf etwaige Fluchtsprints, finde aber kaum welche. Der erste Köter hat beschlossen, mich näher zu untersuchen und sprintet auf mich zu. Lasse mir nichts anmerken und tue so, als ob ich ihn nicht sehe. Passiere ihn unbeschadet [wahrscheinlich, weil Frauchen irgendwas brüllt]. Nach dem passieren von Frauchen höre sie immer noch rufen. Erwarte jeden Moment den finalen Fangbiss in der Wade...

Kilometer #4

Mein federnder, kraftvoller Schritt hat sich mehr in ein eher kraftloses latschen verwandelt. Bin aber immer noch schneller als die Enten, die sich von der schwachen Strömung im Bach neben mir treiben lassen. Das macht mich stolz.

Kilometer #5

Die Steigung des kleinen Buckels kommt mir vor, als besteige ich gerade die Nordwand des Matterhorns, ich komme irgendwie nicht so richtig aus den Puschen... hab mich wohl etwas in der Steigung verschätzt. Der Gipfel ist noch so weit entfernt, schaffe ich doch nie. Irgendwann dann doch. Ich habe keine Beine mehr, nur noch Gelee da unten. Ich reiße mich zusammen und lüge mir vor, dass es ja gleich geschafft ist. Eine Oma mit Gehhilfe überholt mich ich habe wohl erste Halluzinationen...

Kilometer #6

Ich überhole eine Horde Stöckchenzieher. Das fühlt sich an wie Slow Motion im Fernsehen. Schaue trotzdem nochmal nach hinten. Naja, in dieser Situation sollte man auch die kleinen Erfolge feiern.

Kilometer #7

Wenn ich jetzt ein HUD mit Batterieanzeige hätte, würde letztere wahrscheinlich negative Werte anzeigen. Ich glaube, ich weiß jetzt, wie sich jemand nach drei Tagen umherirren in der Wüste fühlt. Ich muss noch irgendwelchen Ballast loswerden, durchwühle meine Taschen und werfe ein benutztes Tempo weg. Ok, hat nichts gebracht...

Kilometer #8

Fühle meine Beine kaum noch, ist wohl etwas Gelee auf der Strecke geblieben und jetzt sind sie zu kurz zum weit ausschreiten.. fühle mich auch im allgemeinen schon sehr schwach. Selbst der Muskel, der das Loch im Popo verschließt, will langsam versagen, was mit abnehmender Kompression im Enddarm einhergeht. Leider bringt die entweichende Luft keinerlei Geschwindigkeitsvorteil, Mist!

Kilometer #9

Versuche angestrengt, das Abgasproblem wieder in den griff zu bekommen, denn die ersten Bauten nähern sich wieder langsam. Scheint zu klappen, wenn ich die Schrittweite halbiere. Ok, Hauptsache, ich komme vorwärts.

Kilometer #9 + irgendwas

Nähere mich unaufhaltsam dem letzten Anstieg, der wie eine senkrechte Wand vor mir steht. Überlege gerade, das auf allen vieren zu kriechen in meinem Zustand nicht unbedingt peinlich sein muss. Verzichte dann aber auf Hündchenpose und schleppe mich in Trippelschritten, jedoch immer noch Laufschritt vortäuschend dem Ziel entgegen. Verkürze die Distanz allerdings nur logarithmisch, es nimmt heute gar kein Ende...

***

S. hat angerufen. Sie sucht für morgen noch einen Laufpartner, damit es nicht so langweilig wird. Habe prompt zugesagt.

Scheiß männliche Hormone. Die sind doch nicht zur Vernunft zu bringen.

Scheiß Frühling.

1.
Kommentar
von Laura (-)
28. April 2008

Haaaahaaa

2.
Kommentar
von AlexZ
28. April 2008

Machst du dich lustig? Wie fies!

3.
Kommentar
von Laura (-)
29. April 2008

Also ehrlich gesagt ja ;) hihi da hat sich wohl jemand ein bissele überschätzt *ggg* naja wer auch freiwillig selber sport macht is ja selber schuld ;) hihi

4.
Kommentar
von AlexZ
29. April 2008

'Man wächst an seinen Aufgaben.', heißt es doch immer. Ich würde noch anfügen wollen: '...oder man scheitert grandios!' - Aber was anderes:
Deinen letzten Satz heb' ich mal auf und zeig' ihn dir wieder... sagen wir mal in 10 Jahren. Auf die Reaktion bin ich ja gespannt... *g*

5.
Kommentar
von Laura (-)
30. April 2008

da ich gute gene hab weiß ich ja, dass ich sogar in 20 jahren nich freiwillig sport machen muss :P

6.
Kommentar
von AlexZ
30. April 2008

Komisch, hab ich vor 20 Jahren auch gesagt. :-o