07
Jul
2009
AlexZ
Abgelegt unter:

Die Kunst des Kopierens

Das Wesen des Computerzeitalters ist das kopieren. Daten werden ständig kopiert: von der Festplatte in den Cache, von dort in den Arbeitsspeicher... Sie ist quasi das Grundwesen des digitalen Zeitalters, die Kopie[1].

Vor vielen, vielen Jahren gab es mal Leute, die hatten so etwas wie Musikgeschmack. Und die dachten sich: 'He, warum sollen nicht andere auch diese tolle Musik kennenlernen [und ich kann was dran verdienen]' - und sie kopierten die Musik auf Datenträger (früher z.B. Schellack- oder Schallplatten, später Kassetten und CDs), weil Musik sich anders nicht einfangen, speichern und verteilen ließ. Der Gewinn wurde wiederum in 'neuendeckte' Künstler investiert.

Von da an änderte sich das Geschäftsmodell kaum noch, es wurde nur ausgefeilter, zuletzt abartiger. [Die hörende Kundschaft wird/wurde mit Heavy Rotation ausgepeitscht, so lange der Titel/Künstler sein Geld nicht in dicken Profit eingespielt hat, um die Taschen einiger weniger zu füllen und die vielen Verluste deckten, die mit am Markt vorbei aufgebauten Künstlern in den Sand gesetzt wurden - nur mal am Rande erwähnt] Prinzipiell wurde der ursprüngliche Sinn, Musik zu verbreiten, dem Ziel nach Gewinnmaximierung untergeordnet. Wir können dankbar sein, dass trotz all diesem Retortenschund immer mal wieder ein Juwel dabei ist [Das erinnert mich immer an das blinde Huhn, welches ... usw.].

Letztlich ist es doch so, dass mit einem Aufwand X ein Gewinn Y eingefahren werden muss, also jeder Künstler, der in absehbarer Zeit nicht mit Hilfe einer überschaubaren Investion diese Kosten nicht einspielt (unabhängig von der Qualität)- auch durchs Raster fällt. Demzufolge arbeitet die MI am profitabelsten, wenn bereits aufgebaute Künstler immer wieder Sachen produzieren, die sich mit geringstmöglichem Aufwand unters zahlende Volk bringen lassen. Wenn ein paar wenige Musiker gut verdienen, dann verdient die MI auch gut. Gut verdienen durch Stückzahlen abverkaufter Tonträger, durch Verkauf immer wieder desselben Songs, genau des selben Songs in Form von Millionen Klones. Qualität begründet durch Quantität.

Und jetzt kommt das Internet. Es kann Leute über Nacht bekannt machen. Es kann Millionen von Kopien zum gefühlten Nulltarif erstellen. Menschen können davon Leben, etwas im Internet zu verbeiten. Künstler beginnen hier mittlerweile ihre erfolgreiche Laufbahn. Je mehr Menschen Zugang zum Netz haben, desto mehr werden durch diese Verbreitungsform der Kunst erreicht. Die Verteilung durch physische Tonträger vermag schon jetzt nicht mehr das zu leisten, was die Kopie auf dem Computer kann. [Dabei ist natürlich klar, dass die trotz allem begrenzte Ressource 'Aufmerksamkeit' auf viel mehr Schaffende verteilt wird und die Gefahr, mit seiner Musik abgehobener Millionär zu werden, kaum besteht].

Mit anderen Worten, ein ganzer, wenn auch kleiner, Zweig der heutigen Wirtschaft wird obsolet. Gute Musik empfehlen einem jetzt virtuelle Freunde bei Myspace und Co. iTunes, yamendo usw. sind nur ein paar Buchstaben weit entfernt, und damit wird die Hauptarbeit der MI bereits von den Nutzern der Kunst und Kultur selbst erfüllt. Es ist kaum noch zu rechtfertigen, dass jemand für Recherche, Vorauswahl und Verteilung so viel Geld verdient, der seine Arbeit weder umfassend, noch zufriedenstellend für die Mehrzahl der Nutzer leisten kann. Ich behaupte mal, dass für den überwiegenden Teil der Musik, die heutzutage erschaffen wird, die MI bereits nicht mehr das leisten kann, was sie ja angeblich so unentbehrlich macht.

Ich bin durchaus dafür, dass Menschen damit ihrem Lebensunterhalt verdienen, künstlerisch tätig zu sein. Urheberrecht ist dabei eine hilfreiche, ja vernünftige Grundlage.
Nicht jedoch, dass sich das Geld in einigen wenigen Brieftaschen dadurch sammelt, dass das Wort Urheberrecht im Mund geführt wird, Vertriebsmonopol aber gemeint ist.

[Mein persönlicher Tipp ist ja der, dass Apple irgendwann in fünf oder zehn Jahren ein Programm auf den Markt wirft, welches selbstständig Musik errechnet, nur nach der Vorgabe: "Klingt wie...", damit wird ein Großteil von Veröffentlichungen überflüssig, die nur dadurch interessant sind, weil sie "klingen wie..."]

[1]  blog.koehntopp.de:

Unsere Computer sind Kopiermaschinen. Um ein Programm auszuführen muß es von einem Medium in den Speicher, vom Speicher in den Prozessor kopiert werden, ebenso alle Daten. Ergebnisse werden zurück kopiert. Der Befehlssatz eines jeden Rechners hat circa zehn Mal mehr Kopier- als Rechenbefehle.
Unsere Netze sind Kopiermaschinen. Wir sagen wir 'senden eine Nachricht', aber das Wort ist falsch. 'Senden' impliziert, daß die Nachricht sich bewegt und für den "Ab"-Sender nicht mehr da ist. Das ist in der realen Welt so, aber nicht im Netz: Wir kopieren eine Nachricht an die Empfänger.
Das Wesen aller IT ist die Kopie.